Vor kurzem kündigte die schwarz-gelbe Koaliton an, den Ärztemangel in Deutschland durch die Lockerung der Zugangsbeschränkungen zum Medizinstudium bekämpfen zu wollen.
Denn vor den Anfang eines Medizinstudiums hat der Herrgott in Deutschland die gefürchtete ZVS gestellt. Jeder, der an einer deutschen Hochschule zum Arzt ausgebildet werden möchte, muss sich bei dieser “Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen” bewerben. Wie ein Höllenhund versperrt sie all jenen, die kein ausreichend gutes Abiturzeugnis haben den Zugang zum Studium. Weil nur wenige ein Abitur von mindestens 1,2 – für sächsische Abiturienten sogar 1,1 – vorweisen können, wie es die ZVS in ihrer abgrundtiefen Bösartigkeit fordert, gibt es in der logischen Konsequenz zu wenig junge Ärzte.
Das könnte man zumindest meinen.
Die ZVS wurde in den 1960ern von den Universitäten gegründet, um eine bessere Ausnutzung der vorhandenen Kapazitäten an den Hochschulen zu gewährleisten. Gerade in einem Fach wie Medizin, in dem einer großen Zahl von Interessenten eine verhältnismäßig kleine Zahl von Studienplätzen gegenübersteht, macht dies durchaus Sinn.
Dass nicht die Auswahl, sondern vor allem das Missverhältnis von Angebot und Nachfrage bei den Studienplätzen an sich, an dem Ärztemangel schuld sind, lässt sich an folgenden Zahlen illustrieren: Für die 8 512 Plätze im Fach Humanmedizin, die zum Wintersemester 2009 / 2010 zu vergeben waren, bewarben sich 37 337, also umgerechnet 4,4 pro Studienplatz.
Man könnte vereinfacht sagen, dass die ZVS versucht, effizient einen eklatanten Mangel zu verwalten.
Außerdem spielt die Note nur für 20 % der zu vergebenden Plätze eine direkte Rolle. 20% werden nach Wartezeit zugeteilt. Die restlichen 60 % werden von den Hochschulen selbst vergeben und zwar nach Kriterien, die neben der Abiturnote zum Beispiel berufliche Ausbildungen, das Belegen von für das Studium wichtiger Fächer und vieles mehr berücksichtigen.
Was wäre also die Konsequenz der Lockerung der Zulassungsbeschränkungen?
Mir erschließen sich ad hoc drei Szenarien.
Im ersten Fall muss jedem Bewerber ein Studienplatz gewährt werden, wie es beispielsweise in Frankreich der Fall ist: Dort kämpfen Studierende in Jahrgängen von mehr als 1 000 Studenten unter zweifelhaften Bedingungen im direkten Vergleich um die immer weniger werdenden Plätze in den folgenden Semestern. Dieses Szenario kann jedoch angesichts der derzeitigen Lehre und der Ausstattung der medizinischen Fakultäten in Deutschland ohnehin als unwahrscheinlich gelten. Im zweiten Fall treffen die Universitäten ihre Auswahl selbst, jedoch können sich Studenten auch an mehr Hochschulen bewerben, als dies bei der ZVS der Fall war. Sich als guter Abiturient für alle Medizinstudiengänge in ganz Deutschland zu bewerben, würde die Chancen anderer massiv schmälern. Dies ist in anderen Studiengängen bereits heute Realität: Viele sagen ihnen zugesagte Studienplatzangebote nicht oder nicht rechtzeitig ab, so bleiben Plätze auch nach mehreren Nachrückverfahren unbesetzt.
Keine der beiden bisher aufgezeigten Konstellationen wäre also unterm Strich dem Ziel, nämlich der Steigerung der Absolventenzahlen, dienlich.
Das dritte ist nicht nur das wünschenswerteste, sondern auch das unwahrscheinlichste, nämlich dass der von der FDP gestellten Forderung eine Erhöhung der Anzahl an Studienplätzen folgt. Bereits jetzt verbraucht das Medizinstudium Erhebungen zu Folge deutlich mehr als 40 % der Mittel, die an deutschen Universitäten für Lehre aufgewendet werden. Die Studienplatzzahlen der Medizinischen Fakultäten werden dabei durch den wichtigen Prozess des Einklagens in das Medizinstudium quasi gerichtlich auf das Maximum festgelegt. Also kann nur mehr Geld für die Fakultäten und ein Ausbau der Lehrkrankenhäuser den gewünschten Effekt bringen.
Darüber, ob die Auswahl der zukünftigen Ärzte nach dem Numerus Clausus die ideale Variante darstellt, lässt sich trefflich streiten. Ob ein zusätzlicher Test sinnvoll ist, lässt sich im Rahmen dieses Artikels leider nicht mehr anschneiden. Das Studium wie auch die spätere Tätigkeit sind jedoch mit extrem hohen Anforderungen verbunden; Das deutsche Curriculum ist nicht zuletzt eines der besten der Welt und diente mehrfach als Vorlage für die Gestaltung des Medizinstudiums in anderen Ländern.
Anstatt einfach nur plakativ die Zulassungsbeschränkungen fallen zu lassen, könnte man den Universitäten doch einfach mehr Geld zum Anbieten der teueren Medizinstudienplätze geben. Nicht nur die Ärzte würde diese Regelung freuen: Denn bei der Ursache und nicht bei den Symptomen anzusetzen ist nicht nur innigster Wunsch der Medizin, sondern meines Erachtens auch eines jeden Liberalen.
Von Rudi Ascherl